Rechtsprechung: Persönliches Erscheinen von juristischen Personen an Schlichtungsverhandlungen (07.05.2015)

Gemäss Art. 204 Abs. 1 ZPO müssen die Parteien persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen. Juristische Personen erfüllen die persönliche Erscheinungspflicht durch ihre Organe, welche für die juristische Person aufzutreten haben. Während Gerichte vereinzelt die Meinung vertreten haben, dass bei einer juristischen Person nicht zwingend ein Organ erscheinen müsse, steht für die Lehre der Zweck des Schlichtungsverfahrens, nämlich die Vermittlung zwischen den Parteien, im Zentrum, weshalb die Anwesenheit eines Organs nach Auffassung der Mehrheit der Autoren als zwingend erforderlich betrachtet wird. Umstritten war ferner die Frage, ob sich eine juristische Person durch ein faktisches Organ - also eine Person, welche tatsächlich Leitungsfunktionen übernimmt, ohne aber im Handelsregister als Vertretungsberechtigter eingetragen zu sein - vertreten lassen kann.

Im Urteil 4A_530/2014 vom 17. April 2015 hat das Bundesgericht nun klargestellt, dass selbst die Anwesenheit eines faktischen Organs ungenügend ist. Sinngemäss führte das Bundesgericht aus, dass es der Schlichtungsbehörde nicht zugemutet werden könne, die Frage abzuklären, ob eine faktische Organschaft vorliegt. Weiter wies es darauf hin, dass eine juristische Person die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO auch insofern erfüllen kann, indem sie eine mit einer kaufmännischen Handlungsvollmacht ausgestatteten, zur Prozessführung befugten und mit dem Streitgegenstand betrauten Person bestellt. Diese Person hat im Schlichtungsverfahren eine Vollmacht vorzuweisen, welche den Anforderungen von Art. 462 Abs. 2 OR genügen. Eine einfache Bevollmächtigung nach Art. 32 ff. OR ist folglich nicht ausreichend. Vielmehr ist die Vertretungsperson lediglich dann ermächtigt, die juristische Person an der Schlichtungsverhandlung zu vertreten, sofern ihr ausdrücklich eine Befugnis zur Prozessführung übertragen wurde. Eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR setzt voraus, dass eine Person nicht nur gezielt für ein einzelnes Rechtsgeschäft  bevollmächtigt, sondern für alle Rechtshandlungen als Vertreter bestellt wird. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht die Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts zurückgewiesen, um abklären zu lassen, ob eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR vorliegt, womit die umstrittene Klagebewilligung der Schlichtungsbehörde gültig wäre.

Dieser Fall zeigt augenscheinlich auf, dass formelle Mängel im Schlichtungsverfahren schwerwiegende Folgen für einen allfälligen Instanzenzug haben können. Insbesondere bei der Vertretung juristischer Personen lohnt es sich nicht, ein Auge zuzudrücken. Vielmehr ist es ratsam, die Vertretungsverhältnisse vorgängig zu klären und bei Absenzen des oder der im Handelsregister eingetragenen Vertreter einen Handlungsbevollmächtigten zu bestellen. Dabei sind die Anforderungen von Art. 462 OR einzuhalten, andernfalls eine Prozesspartei riskiert, dass im folgenden Gerichts- und Rechtsmittelverfahren die Gültigkeit der von der Schlichtungsstelle ausgestellte Klagebewilligung in Frage gestellt wird, was das Verfahren hinauszögert und unnötige Kosten verursacht.